Jörg Michael Henneberg

Über Crischa Siegels Malerei - aus der Rede bei der Vernissage Galerie Lindern, 25.2.2001

... Ich finde Crischa Siegels Malerei ganz besonders spannend, weil sich in ihr die kunsthistorische Entwicklung der vergangenen 120 Jahre spiegelt, Von der Regelhaftigkeit und Formkonzentration eines Cézanne bis hin zum Informel Emil Schumachers und den ruhigen befragenden Kompositionen eines Giorgio Morandi. Malerei ist zunächst der Umgang mit der Farbe auf dem Bildgrund. Die Frage, ob figurativ oder informel ist letztlich völlig zweitrangig.

Crischa Siegel abstrahiert, d.h. sie lässt weg, reduziert und konzentriert sich auf das Wesentliche. Bestimmend sind komplementäre Farbkontraste und das Widerspiel zwischen Hell und Dunkel. Aus der Farbsetzung ergibt sich erst die figurative Richtung, die nirgendwo Abbild ist, sondern selbst in der Darstellung eines Horizontes von Landschaftsstrukturen oder zart hingehauchten Gefäßen als abstrakt zu begreifen ist. Crischa Siegel instrumentiert ihre Farben mit großer Sensibilität. Durch Zugabe von Sand erhalten die Gemälde plastische Qualitäten. Ritzungen, Netze, Strukturen, Tropfen Verästelungen und Fasern verdichten sich zu Kompositionen.

Schauen wir uns einmal Crischa Siegels Landschaften an. Es ist keine Fiktion einer konkreten topografischen Situation, die sie auf die Leinwand bringt. Es sind auch keine idealen Landschaften, wie sie der Klassizismus forderte oder gar Seelenlandschaften wie bei den Expressionisten, Ihre Landschaften sind geometrisch reduziert und sie erinnern nicht von ungefähr an die Farbfeldmalerei oder gar an die Aero-Pittura der Futuristen. Da diese Landschaften wie von einem hohen Turm oder aus einem Flugzeug gesehen erscheinen.

Bei ihren Stillleben geht es ebenfalls nicht um ein memento mori, wie das bei den Niederländern des 17. Jahrhunderts der Fall gewesen ist. Ihre Gefäße sind Folge der Farbverteilung und die Farbkomposition erst hat zu ihrer figurativen Erscheinung geführt. In diesen abstrakten Stillleben liegt eine große Harmonie und die ganze Summe von Farb- und Formerfahrungen. Crischa Siegel bietet uns in ihrer Malerei ihre Erfahrung von Welt dar.

In ihrer sensiblen und doch so gegenwärtigen Malerei verbinden sich zwei wichtige Stränge der kunsthistorischen Entwicklung. Der Weg zur Abstraktion und der schwierige Weg zum Informel, der bei Crischa Siegel wieder zu einer geläuterten figurativen Erfahrung wird....

Jörg Michael Henneberg, Oldenburg
Kunstkritiker und Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Oldenburgischen Landschaft

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Seite zuletzt aktualisiert am 9.10.02